Orientalisches Schwitzbad

Im Hamam werden heißer Wasserdampf und kräftige Massagen mit sinnlichen Düften kombiniert.

In seinem Beruf war er dort, wo er herkommt, „gesellschaftlich wenig geachtet“, erzählt Kasim Alpaget ohne Umschweife. Der 42-jährige Türke ist Hamam-Meister, in seiner Muttersprache „Tellak“, was soviel wie Badeknecht heißt. Seine Aufgabe besteht unter anderem darin, den Badegästen den Schmutz vom Körper zu waschen. Mit dem „Kese“, einem Massagehandschuh aus Ziegenleder, schrubbt er die Leute ab wie kleine Kinder – in der Türkei eine „niedere Arbeit, die schlecht entlohnt wird und nicht selten zu Diskriminierung führt“, erläutert Alpaget.

Bei den Römern und Griechen, zu deren Bädern ausschließlich Männer Zugang hatten, hätten die Badediener ihren Gästen gar körperlich zu Willen sein müssen. Sein Vater sei aufgrund der geringen Akzeptanz mit der Berufswahl seines Sohnes überhaupt nicht einverstanden gewesen. Alpaget stammt aus Adana, der viertgrößten Stadt in der Türkei. Sie liegt im Süden des Landes etwa 200 Kilometer vor der syrischen Grenze. Traditionell werden die Kenntnisse der „Tellaks“, die vor allem auch Meister im Massieren sind, von Generation zu Generation weitergeben. „Mein Lehrmeister, Bilas Ates, übte seinen Beruf in vierter Generation aus“, berichtet Alpaget. Er besitze die Erfahrung von Jahrhunderten und habe ihm „den Schliff gegeben“. Da die Häuser in der Türkei früher keine Bäder hatten, gingen die Menschen regelmäßig ins Hamam. Allein in Istanbul waren es einmal über 300 an der Zahl.

Die ursprüngliche Idee des Hamam-Besuchs ist in dieser Form vor rund 800 Jahren in Anatolien entstanden. Damals vermischten sich die Bräuche der Türken mit denen der Römer und Byzantiner: Öffentliches Baden, aber streng nach Geschlechtern getrennt. Ursprünglich gehörte ein Besuch im Hamam zum religiösen Ritual: Hier reinigten sich die Gläubigen vor dem Gebet. Was früher primär der Erfüllung der strengen Reinlichkeitsvorschriften des Islams diente, ist heute zuallererst eine weltliche Angelegenheit – zumindest in Deutschland.

Im Lauf der Zeit wurde das Bad raffiniert verfeinert, und die Gäste erwartet ein vielfältiges Programm: Unterschiedliche Massagen, Behandlungen und Bäder versprechen ein Optimum an körperlicher und geistiger Entspannung – umgeben von sinnlichen Düften, heißem Wasserdampf und stilechtem Ambiente.

Im Gegensatz zur finnischen Sauna ist es im Hamam mit etwa 50 Grad Celsius nur halb so heiß. Warme Güsse über Arme und Beine sollen zudem dem Organismus helfen, sich langsam an die Wärme zu gewöhnen.

Erst wenn der Körper angenehm erhitzt ist und der Geist vollkommen entspannt, beginnt im „Hararet“, dem Dampfzimmer, das eigentliche Ritual. „Am Anfang steht eine ordentliche Abreibung“, beschreibt der temperamentvolle Türke lebhaft die Zeremonie. Mit dem „Kese“ rubbelt Alpaget seine Gäste gründlich ab – beginnend an Füßen und Händen immer in Richtung Herz. Dieser Prozedur fallen die oberen, abgestorbenen Hautschichten zum Opfer. Anschließend folgt der angenehme Teil der Behandlung: Mit einer duftenden Seife aus Olivenöl und Lavendel werden die Besucher komplett eingeschäumt und dann massiert. Der traditionelle Waschgang dauert einige Stunden, teilweise mit stoischem Daliegen auf den beheizten Marmorplatten, damit sich in der Hitze die Hautporen öffnen. Das Ergebnis: Samtweiche Haut und ein tiefes Gefühl der Entspannung.

Durch die Waschungen werden auch Schlacken und Giftstoffe gründlich ausgeschieden, erklärt der Hamam-Meister. Kalte Güsse am Schluss bringen Stoffwechsel und Durchblutung in Schwung. Wichtiges Element ist das heiße und feuchte, aber ausgewogene Raumklima, das durch hypokaustische Wärme, also durch Beheizung über den Stein an Wand und Boden, erzielt wird.

Die Architektur der ersten Hamams war maßgebend für die darauf folgenden Jahrhunderte: Nach einer genau vorgegebenen Raumabfolge betritt man den eigentlichen, achteckigen Waschraum. Das Oktogon – als polygonale Nachempfindung des vollendeten Kreises – ist durch eine Hauptkuppel bedeckt und erschließt kleinere, symmetrisch angeordnete Nischen, in die man sich zur Intimreinigung zurückziehen kann.

Im Gegensatz zur Sauna ist der Hamam kein Nacktbereich: Wie Alpaget betont, binden sich die Besucher Tücher um den Körper. Auch bei den Waschungen und Massagen wird der Intimbereich grundsätzlich mit Leinen bedeckt. Die klassischen Anlagen sind so konzipiert, dass Gläubige die islamischen Regeln der Hygiene erfüllen. Ursprünglich lagen die Bäder immer in unmittelbarer Nähe der Moscheen, damit die Menschen die vor dem Gebet vorgeschriebene Reinigung vornehmen konnten.

Der Kult um das heiße Bad erlebt zurzeit eine kleine Renaissance. Auch einige internationale Hotels beleben diese Lebensart neu für ihr reisendes Publikum. „Die Zahl wellnessorientierter Bäder und Wellness-Hotels, die das Hamam-Bad als Ergänzung zu Sauna und Thermalbad anbieten, steigt auch in Deutschland weiter an“, informiert Martina Frenzel – Fachbereichsleiterin Bäder und Thermen beim Deutschen Wellness-Verband. Der Hamam liege im Trend, zumal die Investition in ein türkisches Bad im Verhältnis zu vergleichbaren Einrichtungen wie beispielsweise der Sauna nicht höher ausfalle.
„Viele Deutsche sind vor allem wegen der hauptpflegenden Wirkung und dem Peeling-Effekt vom Hamam begeistert“, sagt die Expertin. Reisende zum Beispiel, die das Hamam-Bad im Türkei-Urlaub kennen gelernt hätten, freuten sich, es auch hierzulande vorzufinden, unterstreicht Frenzel. Bei anderen Gästen habe sie eine „anfängliche Scheu“ festgestellt, die in der Regel aber schnell überwunden sei. „Die Hersteller orientieren sich stark an den Bedürfnissen der Besucher.“ Zahlreiche Hamams seien „mit viel Liebe zum Detail gestaltet“ und erzeugten beim Gast eine „Assoziation zu den „Märchen aus 1001 Nacht“.
Nach Aussage der Wellness-Expertin Frenzel wird der Boom so schnell kein Ende nehmen. Traditionelle türkische Bäder gibt es unter anderem in den Städten Aachen („Carolus Thermen“), Berlin („Sultan“, „Inter-Conti“), Bergisch Gladbach („Mediterrana“), Bielefeld („Is-h-a-ra“), Frankenthal („Hamam-Massage-Praxis“) und München („Mathilden“).

Kasim Alpaget arbeitet selbstständig und pendelt zwischen zwei Einrichtungen, dem „Atlantis“ in Obertshausen und dem „Nass“ in Arnsberg. Seine Gäste übrigens hätten keine Vorbehalte im Hinblick auf die soziale Stellung ihres Hamam-Meisters – im Gegenteil. Der Türke: „Die Leute schätzen mich, sind geradezu dankbar. Bei der Behandlung schalten sie ab, lassen sich fallen, entspannen und genießen.“

Dieser Artikel ist in Ausgabe 34 des pool Magazins erschienen.

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